Unter dem Oberbegriff „Maßänderung“ versteht man die Krumpfung oder das Einlaufen eines Kleidungsstücks oder eines Dekostoffes, aber auch Verformungen, die die Passform verändern. Grundsätzlich gibt es zwei Hauptursachen für eine Krumpfung bei der Reinigungsbehandlung: die Eigenschaften des Textilmaterials und die Verfahrensbedingungen der Textilreinigung (Grundreinigung im Lösemittel oder Nassbehandlung und Dämpfen bzw. Bügeln).
Der Reinigungsbetrieb kann nur seine Verfahrensbedingungen bei der Grundreinigung im Lösemittel oder bei der Nassreinigung und beim Dämpfen bzw. Bügeln direkt beeinflussen. Die Materialeigenschaften sind dagegen nicht beeinflussbar. Man kann also grundsätzlich davon ausgehen, dass auch bei sachgemäßer Behandlung des Reinigungsgutes eine Maßänderung eintreten kann. Dies wäre dann eine materialbedingte Krumpfung.
Sind die Verfahrensbedingungen bei der Behandlung die Ursache für die Maßänderung, dann spricht man von einer verfahrensbedingten Krumpfung.
Die Ursache für eine materialbedingte Krumpfung liegt primär in den Spannungen begründet, die in das Gewebe im Rahmen der Fabrikation hineingebracht werden. Das Gewebe unterliegt hauptsächlich in Kettrichtung schon beim Webprozess einem mehr oder weniger starken Zug. Auch während der gesamten Veredelung steht die Kette unter Spannung, da die Ware beim Färben und Ausrüsten in Kettrichtung durch die Maschine gezogen wird, während die Schussfäden meist ungespannt sind und so ihrem natürlichen Krumpfbestreben nachgeben können.
Die Neigung zum Krumpfen ist deshalb in der Kettrichtung in der Regel stärker ausgeprägt als in der Schussrichtung. Dies gilt sinngemäß auch für Maschenwaren, da auch bei diesen Materialien bei der Fertigung eine gewisse Spannung ausgeübt wird.
Sobald den in der Ware vorhandenen verborgenen Spannungen, die durch den Fabrikationsprozess eine gewisse Fixierung erfahren haben, die Möglichkeit gegeben wird sich zu lösen, versucht die Ware in einem spannungslosen Zustand überzugehen. Diese Gelegenheit bekommen Materialien aus natürlichen Fasern und Celluloseregeneratfasern bei der Einwirkung von Wasser.
Die Einwirkung von Wasser führt zu einer Quellung der Fasern und des aus den Fasern gebildeten Garnes. Diese Quellung und die Aufhebung der Reibungswiderstände zwischen den einzelnen Fasern und Fäden in der wässerigen Flotte haben dann zur Folge, dass sich die Spannungen lösen.
Wenn die Ausgangsmaße eines Kleidungsstückes oder eines anderen textilen Gegenstandes nicht bekannt sind, kann eine verbindliche Aussage über das Ausmaß der beanstandeten Maßänderung nicht gemacht werden.
Anzeichen einer Maßänderung
Es gibt aber Merkmale, an denen erkannt werden kann, ob tatsächlich Anzeichen für eine Maßänderung vorhanden sind. So sind zum Beispiel Strukturveränderungen des Gewebes, wie Aufrauungen, eine Moosigkeit oder Verfilzung oder eine Gewebekräuselung und Knitterbildung ein deutliches Merkmal für eine eingetretene Krumpfung. Auch eine Wellenbildung in den Nahtbereichen oder am Reißverschluss sowie eine Überlänge oder Überweite des Futters geben sichere Hinweise für eine Maßänderung.
Liegt in dem beanstandeten Kleidungsstück eine Pflegekennzeichnung vor, die eindeutig die Pflegemöglichkeiten einschränkt, dann fallen Veränderungen, die aufgrund der Nichtbeachtung der Pflegekennzeichnung entstanden sind, in den Verantwortungsbereich des Reinigungsbetriebes.
Maßänderung bei der Reinigung in Lösemitteln
Da die Wasserquellung bei der Reinigungsbehandlung in organischen Lösemitteln fehlt, ist die Krumpfneigung bei der Reinigungsbehandlung naturgemäß weniger stark ausgeprägt. Die Krumpfung bei einer Reinigungsbehandlung wird hauptsächlich durch die Lockerung und Stauchung der Ware durch die Bewegung des Reinigungsgutes in der Maschine ausgelöst.
Bei synthetischen Materialien kann eine Maßänderung ebenfalls durch die Lockerung und Stauchung beim Reinigungsprozess bedingt sein. Daneben kann eine Krumpfung infolge spezifischer Eigenschaften der verarbeiteten Fasern auftreten.
Maßänderung bei der Reinigung im wässerigen Medium
Bei Naturfasern und Zelluloseregeneratfasern führt die Einwirkung von Wasser zu einer Quellung der Fasern und des aus den Fasern gebildeten Garnes. Die Faserquellung und die Aufhebung des Reibungswiderstandes zwischen den Fasern und Fäden hat dann zur Folge, dass sich Spannungen in der Ware lösen können und dadurch eine verstärkte Krumpfung eintritt.
Die Quellfähigkeit der Fasern ist abhängig vom pH-Wert der Waschflotte, d.h. im neutralen Bereich bei einem pH-Wert von 5 – 7 tritt die geringste Quellung ein. Im alkalischen Bereich ist die Faserquellung sehr stark ausgeprägt. Dies ist zwar zur Schmutzablösung bei Zellulosefasern von Vorteil, führt bei wollhaltigen Artikeln aber zu Gewebeschädigung.
Autor Dieter Essing ist Sachverständiger für die Textil- und Lederreinigung.