Wer nachhaltig mit Kleidung umgehen möchte, muss auf Langlebigkeit achten. So das Ergebnis einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes. Dabei war auch Berufsbekleidung Thema – und warum Textilpflege eine große Rolle spielt.
Fakt ist: Die Kleiderberge wachsen. Die weltweite Textilproduktion hat sich seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt. Gleichzeitig wird die gekaufte Kleidung kürzer und weniger intensiv genutzt. Keine gute Entwicklung für die Umwelt, denn die Textilindustrie gilt mit ihren CO2-Emissionen als einer der größten Klimasünder weltweit.
Wie also mit Kleidung – und auch Berufskleidung – nachhaltiger umgehen? Im Gespräch mit Dr. Laura Spengler, Fachgebietsleiterin für übergreifende Aspekte des produktbezogenen Umweltschutzes beim Umweltbundesamt und beteiligt an einer aktuellen Studie* zum Thema. Sowie mit Jan Kuntze, Textilingenieur und einer der Geschäftsführer des regionalen DBL Partners Kuntze & Burgheim Textilpflege GmbH.
Frau Dr. Spengler, worum geht es in der Studie des Umweltbundesamtes?
Laura Spengler: In den letzten Jahren standen vor allem Produktionsbedingungen in der Lieferkette und die Kreislaufführung von Textilien im Vordergrund, was sehr wichtige Ansatzpunkte für eine nachhaltigere Textilindustrie sind. Aber um die Umweltauswirkungen der Bekleidungsproduktion, -nutzung und -entsorgung zu verringern, bedarf es auch langlebiger Bekleidung. Und deshalb Maßnahmen zur Verlängerung der Nutzungsdauer. Die aktuelle UBA-Studie „Die Rolle der Langlebigkeit und der Nutzungsdauer für einen nachhaltigen Umgang mit Bekleidung“ thematisiert unter anderem bestehende Definitionen, Kriterien und Messnormen für Langlebigkeit. Sie stellt auch die Einflüsse auf die Nutzungsdauer entlang des Lebenszyklus eines Kleidungsstücks dar.
Was bedeutet denn eigentlich Langlebigkeit?
Langlebigkeit ist eine Anforderung an ein Produkt, wonach dieses möglichst lange die vorgesehene Funktion erfüllen kann. Dabei sollte die Verlängerung der Nutzungsdauer durch Möglichkeiten des einfachen Reparierens und der Pflege unterstützt werden.
Ein Kapitel widmet sich neben der Recyclingfähigkeit deshalb auch der Pflege und Reparierbarkeit von Kleidungsstücken – mit welchen Erkenntnissen?
Beispiel Reparatur: Mit früher verglichen werden Kleidungsstücke heute viel weniger repariert. Ich habe zum Beispiel in meinem Büro eine kleine privathistorische Ausstellung meiner Oma hängen. Damals wurde alles aufgehoben, sogar Garnreste. Denn früher lieferten die Hersteller hochwertiger Unterwäsche oder Strumpfhosen direkt die passenden Garne mit, damit diese eben repariert werden konnten. In Zeiten der Knappheit und des Mangels wichtig – man war weniger bereit, Dinge schnell auszumustern und wegzuwerfen. Heute sind bei den Unternehmen Reparaturangebote in Bezug auf Kleidung wenig verbreitet, eine Ausnahme bildet das Segment Outdoorbekleidung. Umfragen zum Thema Reparatur zeigen: Nur gut die Hälfte der Menschen haben je eine Reparaturdienstleistung für Kleidung in Anspruch genommen oder selbst Kleidung repariert.
Und wie wichtig ist die Pflege der Kleidung?
Die richtige Pflege eines Kleidungsstücks kann die Nutzungsdauer signifikant verlängern**. Aber die Pflegehinweise auf der Kleidung sind häufig nicht ausreichend und auch nicht mit den Systemen der Waschmaschinen oder Waschmittel abgestimmt. Das Waschen und Trocknen beeinflusst nicht nur die Langlebigkeit der Kleidung, sondern bestimmt auch über zahlreiche negative Umweltwirkungen der Nutzungsphase. Dazu gehören der Wasser- und Stromverbrauch beim Waschen und der Eintrag von Mikroplastik – durchs Waschen freigesetzte Mikrofasern. Oder Chemikalien – etwa durch Waschmittel, Auswaschen der chemischen Ausrüstung der Kleidung ins Wasser.
Wo liegt die Lösung für dieses Problem?
Neben der richtigen Pflege kann die Lebensdauer von Bekleidung auch durch Reparaturen und andere nutzungsverlängernde Maßnahmen erhöht werden.
In der Studie wurde deshalb auch Berufskleidung betrachtet?
Ja, allerdings bisher nur am Rande. Mit der Berufsbekleidung gibt es bereits eine Branche, deren Kerngeschäft in der langen Nutzung von Textilien liegt. Bei der Auswahl von Berufsbekleidung sind die Anforderungen an die Langlebigkeit besonders wichtig. Diese beziehen sich beispielsweise auf Strapazierfähigkeit oder Waschbeständigkeit. Daher ist die Berufskleidung ein spannendes Beispiel und hier könnten etablierte Techniken in der Produktion von Berufsbekleidung für die Weiterentwicklung von Alltagskleidung im Bereich Langlebigkeit übernommen werden. Allerdings basiert der Markt für Berufsbekleidung teils auf anderen Geschäftsmodellen. Und auch die Nutzung unterscheidet sich.
Herr Kuntze, Berufskleidung vs. Freizeitkleidung – wo liegen hier die Unterschiede in Nutzung und Lebensdauer?
Jan Kuntze: Hochwertige Berufskleidung im Einsatz unterscheidet sich durch ihre präzise und teils aufwendige Verarbeitung von normaler Freizeitkleidung – sie ist auf Strapazierfähigkeit und Langlebigkeit ausgelegt. Das fängt meist beim sehr robusten Gewebe an und geht weiter mit Details wie etwa Doppel- oder Dreifachnähten, verstärkten Kniepartien und Taschen bis hin zur Qualität von Reißverschlüssen, die sich leicht austauschen und reparieren lassen müssen. All das ist auf einen langfristigen Einsatz ausgelegt – entsprechend unserem Geschäftsmodell.
Was wird hier verfolgt?
Wir sind bestrebt, das textile Gut so lange wie möglich im Kreislauf zu halten, also den Lebenszyklus maximal auszuschöpfen. Dies geschieht etwa durch den Einsatz hochwertiger Gewebe, ressourcenschonenden, zertifizierten Waschprozessen und auch fachgerechter Reparatur.
Frau Dr. Spengler, kann Berufskleidung und textiles Leasing mit seinen Waschprozessen als Vorbild funktionieren?
Alltagstextilien analog zu Berufsbekleidung herzustellen wäre derzeit ökologisch wohl kontraproduktiv. Denn die Ausrüstung entspricht ja meist nicht den Erfordernissen und dem Verhalten im Alltag. Allerdings wäre eine genauere Prüfung, was sich dennoch für die Alltagskleidung lernen lässt, sinnvoll. Ich wünsche mir manchmal aus eigener Erfahrung, Kinderkleidung würde nicht so schnell verschleißen, hätte auch Knieverstärkungen etc.. Relevant sind hier etwa Fragen wie: Welche Geschäftsmodelle aus dem Bereich Berufsbekleidung bieten sich auch für den Alltagsbereich an? Können bei Berufsbekleidung Nutzungszyklen vorhergesagt werden? Oder: Wie funktioniert die Abstimmung von Herstellung auf Waschzyklen? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, ist eine enge Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Branche der Berufsbekleidung empfehlenswert – das wollen wir für weitere Studien vertiefen.
Herr Kuntze, gibt es in ihrer Branche schon Erfahrungswerte zum Thema Langlebigkeit der Berufskleidung als Faktor in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Die meisten Menschen denken, wenn sie etwas recyceln können, wäre dies besonders nachhaltig. Das ist nur teils richtig. Nachhaltig heißt langes Verwenden. Auf Berufskleidung bezogen: Wenn ich etwas recycle, spare ich 19 % klimaschädliche Einflüsse ein. Denn wenn ich eine Faser recycle, dann muss ich ja trotzdem wieder ein Garn daraus machen, es färben, zuschneiden, in die Produktion bringen, konfektionieren und transportieren. Eine verdoppelte Nutzungsdauer der Textilien führt indes bereits zu einer 49 % Einsparung an CO² im Vergleich zu den üblichen Lebenszyklen. Setze ich das Kleidungsstück doppelt so lange ein und verwende zudem noch erneuerbare Energien für seine Produktion und Pflege, habe ich sogar 67 % klimaschädliche Einflüsse eingespart***. Es ist ein nachhaltiges Modell, das wir im Mietservice mit unseren ressourcensparenden Waschverfahren verfolgen.
Was wäre für Sie mit Blick auf die Zukunft optimal?
Optimal wären für mich Kleidungsstücke aus umweltverträglichen, also gut abbaubaren Materialien, die ressourcenschonend produziert und gepflegt werden, eine sehr lange Lebensdauer haben und sich dann wieder recyceln lassen.
Und für Sie, Frau Dr. Spengler? – wie ist das Fazit der UBA Studie?
Ja, das sehe ich auch so, den Fokus allein auf kreislauffähige Produkte zu legen, reicht nicht aus, um langfristig eine Reduzierung der Ressourcen zu erreichen. Es bedarf einer höheren Langlebigkeit und Maßnahmen zur Verlängerung der Nutzungsdauer und Nutzungsintensivierung – sowie insgesamt eines verringerten Konsums. Denn ganz klar: Wir alle könnten unsere Kleidung in vielen Fällen deutlich länger nutzen, als wir es derzeit tun…
*“Die Rolle der Langlebigkeit und der Nutzungsdauer für einen nachhaltigen Umgang mit Bekleidung“; Umweltbundesamt 2022 / von: Jan Gimkiewicz / Unter Mitarbeit von: Dr. Sina Depireux, Dr. Laura Spengler, Brigitte Zietlow
**Dies ergaben Untersuchungen des Forschungsprojekts InnaBe im Rahmen einer Schwachstellenanalyse von Oberbekleidung (Kleinhückelkotten 2019, 50)
*** „Environmental assessment of Swedish clothing consumption”,Mistra Future Fashion Report; RISE, 2019