Die Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) privilegiert den Gasbezug von Kliniken und Seniorenheimen. Die Krux: Externe Dienstleister, die mit diesen Häusern kooperieren, schließt die aktuelle Rechtslage nicht mit ein. An welcher Steller die Bundesnetzagentur daher dringend handeln muss, um die Versorgung im Falle einer Gasmangellage zu gewährleisten, erläutert Branchenkenner Albrecht Ball, Geschäftsführer der Weiss Tex GmbH.
Michael Schanz, Chefredakteur der Rechtsdepesche: Herr Ball, die Erhöhung der Energiepreise beherrscht derzeit die Schlagzeilen. Können Sie jetzt schon überblicken, inwieweit die Textilreinigungsbranche davon betroffen sein wird?
Albrecht Ball: Die Daten des statistischen Bundesamtes zur Entwicklung der Energiepreise sprechen eine deutliche Sprache: Bereits vor dem Ukraine-Krieg waren im Zusammenhang mit der Energiewende und anderen Faktoren erhebliche Kostensteigerungen zu verzeichnen. Der Krieg in der Ukraine hat diese Situation verschärft. Die Textilreinigungsbranche ist hiervon unmittelbar betroffen. Die Energiekosten der Betriebe betragen je nach Energietechnik durchschnittlich ca. 10 Prozent der Gesamtkosten.
In der Weiss Tex GmbH sind wir mit unseren energieeffizienten Anlagen glücklicherweise verbrauchsoptimiert und auf aktuellem Stand. Nichtsdestotrotz sind wir natürlich von der Preissituation auch hart betroffen. Der Verbrauch ist eine Seite der Medaille, die andere wird vom Preis bestimmt. Hinzu kommt, dass die Betriebe in der Wäschereibranche in aller Regel Festpreisverträge mit ihren Energielieferanten vereinbart haben, welche üblicherweise 6 bis 12 Monate vor dessen Ablauf neu abgeschlossen werden.
Bereits Mitte 2021 sind jedoch die Energiepreise nach oben geklettert, weshalb die Akteure sich in der Hoffnung auf sinkende Preise zunächst nicht eingedeckt hatten. Statt nach unten galoppierten die Energiepreise nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine in schwindelerregende Höhe und der Anstieg hat immer noch kein Ende gefunden. Viele Betriebe wurden dadurch sehr kurzfristig von extrem hohen Energiepreisen getroffen. Die russische Verknappung des Erdgasangebotes hat die Preise hierzulande exorbitant nach oben bewegt. Das spiegelt sich im Übrigen auch in der Preisgestaltung für den Strom wider. Die Preiskurve zeigt weiter nach oben.
Die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 dämpft dies beim Strom zwar ab, sie kann den starken Anstieg der Stromkosten jedoch bei weitem nicht ausgleichen. Die Gaspreise sollen zur Sicherung des Energiehandels in Kürze mit einer neuen Umlage weiter belastet werden, was zusätzlich für einen Preisschub sorgen wird.
„Textilreiniger sind zu 100 Prozent vom Gas abhängig“
Die deutschen Gasspeicher sollen im Augenblick zu einem Großteil gefüllt sein, ist dies für Sie ein Problem?
Ball: Nun ja. Der größte Gasspeicher soll aktuell den Speicherstand von 80 Prozent aufweisen. Das macht uns natürlich auch Sorge. Viele Betriebe in der Textilreinigungsbranche sind zu 100 Prozent vom Gas abhängig. Alle Anlagen, die noch vor zehn Jahren auf Ölbasis gelaufen sind, wurden auf gasbetriebene Varianten i.d.R. mit Direktbrenntechnik umgerüstet. Dies war erstens die günstigere und zweitens die sauberere Energiequelle. Ich sehe keine Möglichkeiten, uns kurz- und mittelfristig vom Erdgas zu befreien. Was soll die Alternative sein? Es gibt mittelfristig keine Alternative.
Nehmen Sie zum Beispiel einen Pellet-Dampfkessel, wenn Sie alle Wäschereien mit Pellet-Kesseln ausstatten wollten, dann würden Sie dort in Kürze über eine Verknappung der Pellets berichten. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Auch wenn die Vorgaben der Ministerverordnung zur Erhöhung der Speichervorgaben eingehalten werden und die Speicher voll gefüllt sein sollten, wird es ein sehr knappes Unterfangen damit auf Dauer alle Abnehmer zu versorgen, d.h. die Privathaushalte, Industrie und das öffentliche Leben. Diese Sorge treibt mich sehr um. Zumal die großen deutschen Strombetreiber aktuell auch noch Elektrizität mit Erdgas herstellen und dies am Ende natürlich auch zur Erdgas-Verknappung beiträgt.
Gleiches könnte man auch in Unternehmen mit betriebenen Blockheizkraftwerken vermuten. Bei diesen Anlagen handelt es sich jedoch im Zusammenwirken mit der in Wäschereien notwendigen Dampferzeugung und einer optimierten Wärmeverteilung um sogenannte Hocheffizienzanlagen. Anders gesagt, würden diese Unternehmen zur Abschaltung verpflichtet werden, müsste die aus diesen Anlagen nicht unerheblich genutzte Menge an Abwärme dann mit primärer Gasenergie, also einem Mehrverbrauch am Dampfkessel ausgeglichen werden.
Wäscherei Pätzold legt Gasrechnung offen
111.086,62 Euro für Gas muss die Wäscherei Pätzold aus Siekersdorf, Schleswig-Holstein diesen Monat blechen. Das entspricht 584 Prozent mehr als im Vorjahr. Für die 12 Tonnen Tischtücher, Laken und Arbeitsbekleidung, die der Familienbetrieb mit 46 Mitarbeitenden täglich bearbeitet, fielen vor der Krise 16.230 Euro an.
Die aktuelle Gasrechnung legte Chef Peer-Hendrik Grenke-Klimstein (33) der Bild vor. Für August rechnet der Unternehmer mit Zahlung in Höhe von 150.000 Euro. Und das bei knapp 300.000 Euro Umsatz. „Das ist nicht zu schaffen“, betont er im Interview mit Deutschlands auflagenstärksten Tageszeitung.
Peer-Hendrik Grenke-Klimstein spricht bei stern TV
„Das wird nicht das Ende der Fahnenstange sein“, sagt Peer-Hendik Grenke-Klimstein bei stern TV. Der 33-Jährige rechnet damit, dass seine Gasrechnung sich auf bis zu 200.000 Euro aufbläht. Kosten, die er nicht ohne Weiteres an Kunden weitergeben kann.
Anders als bei Corona gibt es in der aktuellen Energiekrise keine Sicherheiten für die Mitarbeiter. „Versprechen kann man in dem Sinne nichts mehr“, sagt der Unternehmer, beispielsweise, dass die Jobs sicher sind. Das Tragische: „Wir haben volle Auftragsbücher.“ Alle reisen. Das Unternehmen fahre Rekordumsätze ein. Arbeit wäre also genug da. Aber: Kostensteigerungen in dieser Höhe könne ein Familienunternehmen nicht einfach wegdrücken. Zum Vergleich: Normalerweise machen die Energiekosten der Wäscherei Pätzold 10 Prozent des Umsatzes aus.
„Dienstleister können nicht mehr kostendeckend arbeiten“
Inwieweit sind die Kostensteigerungen, denen sich die Textilreinigungsbranche gegenüber sieht, ein Problem für deutsche Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen?
Ball: Die Krankenhäuser und die Pflegeeinrichtungen werden sozusagen „Zug um Zug“ von den Preiserhöhungen betroffen sein. Aufgrund der Laufzeit der Versorgungsverträge kann die Vertragslage mitunter nicht so schnell angepasst werden, wie notwendig. Den textilen Dienstleistungsunternehmen droht dann, dass sie nicht mehr kostendeckend arbeiten werden. Das ist und kann in einem partnerschaftlichen Verhältnis nicht Sinn und Zweck und auch nicht gewollt sein.
Die Einrichtungen und die Wäschereien haben sich einem gemeinsamen Ziel verschrieben: der sicheren, hygienischen Aufbereitung der Textilien zum Schutze der Patienten und des Einrichtungspersonals in der jeweils notwendigen Menge. Daher freue ich mich wirklich sehr, dass es einige Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gibt, die dies genauso sehen und sich z.T. auch bei Festpreisvereinbarungen auf freiwilliger Basis mit an den Kostenerhöhungen beteiligen.
Es gibt am Ende auch keine großen Alternativen, denn alle Wäschereien haben ja die selbe Problematik. Es macht keinen Sinn, einen vorhandenen Textildienstleister, welcher gute Arbeit macht „ins Minus“ laufen zu lassen, damit er entweder gezwungen ist, den Vertrag zu kündigen oder letzten Endes selbst ins Schlingern gerät.
„Jeweilige Vertragslage ist für die Durchsetzung einer Preiserhöhung entscheidend“
Sie haben es bereits angeschnitten. Ich frage aber gerne noch einmal nach: Können die Textilreiniger den Kostenanstieg an ihre Kunden weitergeben?
Ball: Die Juristen beschreiben das Prinzip der Vertragstreue mit dem Grundsatz „ pacta sunt servanda„. Das heißt: die jeweilige Vertragslage ist für die Durchsetzung einer Preiserhöhung entscheidend.
Paragraf 313 Abs. 1 BGB macht unter bestimmten Umständen nach Meinung von Rechtsexperten dennoch einen Anspruch auf eine Vertragsanpassung (auch Preisanpassung) möglich, wenn die Leistungserbringung durch unvorhersehbare Ereignisse nachweislich nicht mehr zumutbar wird. Ist eine Anpassungsmöglichkeit nicht möglich, so kann die benachteiligte Partei vom Vertrag zurücktreten.
In aller Regel haben die textilen Dienstleister mit den Gesundheitseinrichtungen Individualverträge ausgehandelt, die oft auch Anpassungsklauseln enthalten. Diese sind jedoch meist mit einem bestimmten Prozentsatz oder nur für bestimmte Kostenarten gedeckelt. Und dieser ist nahezu immer unterhalb der zu verzeichnenden Steigerungsrate im Energiepreissektor.
In Gesundheitseinrichtungen mit Beteiligung der öffentlichen Hand müssen i.d.R. Aufträge über Ausschreibungen vergeben werden. Bis zu dieser Krise gab es dort oft Regelungen, die eine Preisanpassung generell für eine bestimmte Dauer ausgeschlossen haben. Hier wird es künftig zu einem Umdenken kommen müssen. Solche Regelungen können in einer so unkalkulierbaren Zeit nicht mehr akzeptiert werden. Sonst müssen Unternehmen damit rechnen, am Ende keine Angebote zu erhalten.
Das Problem der aktuell laufenden Verträge ist nicht ohne Weiteres zu lösen. Die Betriebe sind zum Teil darauf angewiesen, dass der Kunde bei Festverträgen ein Einsehen hat. Hier geht es ja nicht darum, viel Geld zu verdienen, sondern es geht darum, Standards aufrechtzuerhalten und nicht ins unternehmerische Aus zu manövrieren.
„Ohne Textilversorgung kann weder ein Krankenhaus noch ein Alten- und Pflegeheim betrieben werden“
Ein Blick in die Politik: Was halten Sie von der Informationspolitik der Bundesnetzagentur?
Ball: Klar ausgedrückt: Die Bundesnetzagentur agiert in die Richtung der kleinen und mittleren Unternehmen, zu denen die Betriebe der Textilreinigungsbranche ja zählen, gar nicht. Ich persönlich hatte kürzlich einen Schriftverkehr, in dessen Zusammenhang mitgeteilt worden ist, dass wir nach der erweiterten Definition durch die EnWG-Novelle nicht zum Kreis der geschützten Kunden gezählt werden und uns dementsprechend keine Privilegierung eingeräumt werden kann.
Etwas anderes gilt für Wäschereien, welche zur Organisation der Einrichtungen des Gesundheitswesens zählen, also eigene Wäschereien in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen. Die extern arbeitenden Textilversorger benötigen dringend eine Regelung, die ihnen die gleichen Prioritäten einräumt. Ohne die Textilversorgung kann weder ein Krankenhaus noch ein Alten- und Pflegeheim weiter betrieben werden. Stellen Sie sich einfach mal vor, es würde keine Textilien mehr in ein Krankenhaus geliefert werden: Die Patienten würden keine Patientenbekleidung bekommen, die Betten könnten nicht bezogen werden. Die Patienten würden auf blanken Matratzen liegen, ohne Bettbezug, ohne Kissen. Oder denken Sie an die textilen Medizinprodukte-Aufbereiter, zu denen wir auch gehören, die fertige Operations-Sets in die Krankenhäuser, in die OP-Säle liefern… Es würden unweigerlich Operationen abgesagt werden müssen.
Es liegt auf der Hand: Bekommen die Wäschereien, die für das Gesundheitswesen arbeiten, in einer Gasmangellage keine Priorität eingeräumt, steht die Versorgungslage in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen unmittelbar auf dem Spiel.
„Wir sind systemrelevant“
Zurück zur aktuellen Krise. Welche Bedeutung hat der Status der Systemrelevanz für die Wäschereien?
Ball: Die Textilreinigungsunternehmen wurden während der Corona-Pandemie schon einmal als systemrelevant eingestuft . Es war schnell klar, wenn dieser Status den Wäschereien nicht zugerechnet wird, dann werden die Gesundheitseinrichtungen unmittelbar nicht mehr beliefert werden können. Dieses Szenario haben die Verantwortlichen der Bundesnetzagentur bisher scheinbar noch nicht wahrgenommen. Ich hoffe sehr, dass sich dies noch ändert. Wenn ich an das Schreiben der Bundesnetzagentur denke, ist die Aussicht düster: die externen Wäschereien gehören demnach nicht zu den Privilegierten.
Würde der Textilreinigungsbranche für das Gesundheitswesen der Gashahn zugedreht werden, wären die Folgen fatal! Die Politik und die Beauftragte der Bundesnetzagentur müssen darauf hinwirken, dass die Novelle des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung noch einmal angepasst wird. Wir sind systemrelevant, das gilt daher unbedingt auch für unsere Gasversorgung
Wann ist der Punkt erreicht, an dem der Staat eingreifen muss und welche Maßnahmen sind konkret denkbar?
Ball: Der Staat oder die Bundesnetzagentur müsste jetzt schon trennschärfer regeln, wer denn nun tatsächlich notwendigerweise mit Gas versorgt werden müsste und wer nicht. Dieser Prozess ist meiner Meinung nach noch nicht abgeschlossen. Da muss sehr zeitnah nachjustiert werden, was im Sinne der Daseinsvorsorge absolut notwendig ist und was nicht. Für mich ist vollkommen klar, dass die Produktion von Dekoartikeln sicherlich weniger wichtig ist als die Aufbereitung von Operations-Sets.
„Umstieg auf alternative Energieformen muss unbedingt erleichtert werden“
Parallel läuft der ökologische Umbau in der Stromerzeugung. Was bedeutet dies für die Textilreinigungsbranche?
Ball: Investitionen in die Energiewende und den ökologischen Wandel beschäftigen die Textilreinigungsbranche schon seit über einem Jahrzehnt. Die modernen Betriebe sind alle auf einem guten Stand. Die Abwärme der Maschinen und des Wassers wird genutzt und überschüssiger Strom wird rückgespeist. Abwasser wird mehrstufig aufbereitet und mehrfach genutzt. Vor 10 Jahren lag der Energieverbrauch pro Kilo Wäsche noch bei ca. 1,5 KWh, moderne Betriebe liegen heute bei ca. 1 KWh und zum Teil darunter.
Die Wäschereibranche hat hier aus ökologischer Überzeugung viel Geld in die Hand genommen. Trotz fortlaufender Versprechen der Politik Bürokratie zu reduzieren, um Projekte zu vereinfachen, ist häufig noch das Gegenteil anzutreffen. Der Umstieg auf alternative Energieformen muss unbedingt erleichtert werden. Ein wesentlicher Punkt hierbei ist, dass PV-Anlagen und KWK-Anlagen >100 KWp, welche mit dem Ziel der Eigenstromgewinnung installiert werden und nur in sehr geringem Umfang Strom ins öffentliche Netz einspeisen, von der Direktvermarktungspflicht ausgenommen werden.
„Können nicht in die alte Energiepolitik zurück“
Wie lautet Ihre Zukunftsprognose?
Ball: Ich bin ein positiv denkender Mensch. In der Ukraine muss es Frieden geben, und zwar bald. Und dabei geht es sekundär um Energiepreise, es geht zuerst um Menschenleben. Allerdings befürchte ich, dass es nach dem Krieg kein „back to business“ geben wird. Ausgehend davon, dass Russland wieder Gas in bisheriger Menge liefern will, könnten wir nicht in die alte Energiepolitik zurück und diese einseitige Abhängigkeit fortsetzen. Die bisher aufgebauten Netze von und nach Russland würden nur noch in deutlich geringerer Kapazität gebraucht werden. Als Alternative kaufen wir ja bereits heute große Mengen an Flüssiggas ein.
Schon vor der Energiekrise war Flüssiggas teurer als Erdgas aus der Pipeline. Ich rechne damit, dass, die Verknappung auf dem Gasmarkt noch eine ganze Weile bestehen bleiben wird. Das Preisniveau wird nach meiner Einschätzung zunächst noch weiter ansteigen und bei zunehmender Marktsättigung auch wieder etwas sinken. Gleiches gilt auch für den Strom.
Wir werden aber keinesfalls in absehbarer Zeit mehr auf ein Energiepreisniveau kommen, welches wir aus den letzten Jahren und vor den Krisen kannten. Der politisch beschlossene Umbau der Energieinfrastrukturen muss nun ordentlich gelenkt werden. Dabei müssen die Versäumnisse der letzten zehn Jahre eilig aufgearbeitet werden.