Der Original Burgenländische Indigo-Handblaudruck wurde 2010 in das „UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich“ aufgenommen. Seit 2018 gehört dieses einzigartige Handwerk zum immateriellen Weltkulturerbe. Der Familienbetrieb von Josef Koó in Steinberg-Dörfl im Burgenland (Österreich), den er mit seiner Frau Miriam führt, ist seit über 100 Jahren fast keinen Tag stillgestanden. Heute ist dieser Betrieb einer der letzten in Europa, der nach alter Technik Stoffe bedruckt und mit pflanzlichem Indigo färbt. Dafür erhielt das Unternehmen den RWin-Sonderpreis „Traditionelles Handwerk“.
Blaudruck als immaterielles Kulturerbe? Wie Lipizzanerzucht, Falknerei oder Flößerei? Wie Orgelbau oder der Viehwandertrieb Transhumanz? Oder wie seit wenigen Wochen die Handweberei? Richtig. Auch Blaudruck ist, so die UNESCO-Definition, eine Ausdrucksform, die unmittelbar von menschlichem Können und Wissen getragen ist und von Generation zu Generation weitervermittelt und stetig neu geschaffen wird. Das Blaudruck-Kulturerbe wurde gleichzeitig nach Österreich, Deutschland, Tschechien, Ungarn und die Slowakei vergeben.
Lebendighalten und ausprobieren
„Das Handwerk und seine Individualität sind wieder gefragt. Blaudruck erlebt eine Art Renaissance. Darüber und über den RWin-Sonderpreis freuen wir uns“, so Josef Koó bei der Preisübergabe. Seit nunmehr drei Generationen gibt es seinen Betrieb, Josef Koó Original Indigo Blaudruck. Ein Sohn (14) stünde bereit, aber „jede Generation muss natürlich selbst entscheiden.“
Als der Großvater die Färberei 1921 erbaute, war er nicht der einzige. Im Burgenland gab es noch viele Blaufärber und Blaudruckstoffe waren Teil der Alltags- und Arbeitskleidung. Ab den 1950er- und 60er-Jahren verdrängte die günstige Massenproduktion dann fast das aufwändige Handwerk. Die Eltern begannen ihre Produkte auf den Wochenmärkten anzupreisen und retteten so den Blaudruck auch durch wirtschaftlich schwierige Zeiten. „Den Betrieb habe ich im Jahre 2008 übernommen und betreibe diesen seither gemeinsam mit meiner Frau Miriam, die als Künstlerin ganz neue Komponenten in den Blaudruck gebracht hat. Tradition ist uns wichtig, genauso aber das Lebendighalten und auch das Ausprobieren von neuen Dingen.“
In der Werkstatt dröhnt kein Maschinenlärm und es blinken keine Lämpchen. „Das einzige, was eventuell dann unter Strom steht, sind wir“, schmunzelt Josef Koó. So romantisch man sich die Arbeit in einer über 100 Jahre alten Färberei auch vorstellt, kann sie doch ganz schön anstrengend und zeitintensiv sein. Trotzdem ist die Blaudruckerei bis heute fast keinen einzigen Tag stillgestanden.
Bezeichnung irreführend
In China, Indien und Ägypten lässt sich das Blaufärben mit Indigo bis ins Altertum zurückverfolgen. Eine Kindertunika aus dem 4. Jahrhundert, entdeckt in einem Grab in Achmim in Ägypten, gilt als einer der ältesten, erhaltenen Blaudruckstoffe. Dabei ist das Wort „Blaudruck“ als Bezeichnung eigentlich irreführend. Das Muster wird nämlich nicht, wie beim herkömmlichen Stoffdruck, mit Modeln auf den Stoff gedruckt. Es handelt sich um eine Art „Negativverfahren“ (auch Reservedruck genannt), bei dem das Muster ausgespart (reserviert) und der ursprünglich weiße Stoff blau gefärbt wird. In Deutschland wurde der erste Blaudruck in Reservetechnik ca. 1690 in Augsburg hergestellt. Von einer Zunftgründung für das Blau- und Schönfärberhandwerk finden sich Aufzeichnungen aus dem Jahre 1727. Da die Blaudruckgesellen (um ihren Meister zu erlangen) drei Jahre auf die Walz gehen mussten, verbreitete sich sich der Blaudruck rasch in ganz Mitteleuropa. So ist auch die Ähnlichkeit der Modelmuster zu verstehen. Den größten Aufschwung erlebte der Blaudruck im 17. und 18. Jahrhundert. Anfangs wurden dabei nur Leinenstoffe bedruckt, danach auch Halbleinen- und Baumwollstoffe, besonders für Bettwäsche, Vorhänge und Frauenkleidung.
Die Industriealisierung und der damit aufkommende maschinelle Walzendruck bedeuteten für die meisten Blaudruckwerkstätten das Aus. Heute existieren in Europa (Österreich, Deutschland, Tschechien, Slowakei und Ungarn) nur noch wenige Handwerksbetriebe, die die Herstellung der Model und die alten Drucktechniken beherrschen.
Mit uralten Modeln, Blöcken aus Linden- oder Birnenholz mit Messingstiften, wird der sogenannte Papp auf den Stoff aufgebracht. Die streng geheime Mischung aus Gummiarabikum, Tonerde und anderen Bestandteilen verhindert, dass das Blau später an dieser Stelle eindringen kann. Nach dem Bedrucken trocknen die Stoffe ca. vier Wochen bis zum nächsten Arbeitsschritt. Und nach dem Färben wird der Papp wieder ausgewaschen. So entsteht ein weißes Muster auf blauem Grund.
Model in Holz und Messing
„Unser Model-Lager ist gut gefüllt und mit ungefähr 250 Modeln bestückt, darunter unterschiedliche Hand-, Muster- und Rändermodel“, erläutert Josef Koó mit dem Verweis auf wertvolle und alte Stücke in Holz und Messing. Hans-Joachim Frindte, einer der letzten Formenstecher Europas, restauriert regelmäßig die Model, fertigt auch neue an und hält Druckwalzen in Schuss. „Unser Betrieb ist wie ein kleines Museum“, so Miriam Koó mit Blick auf eine Walzendruckmaschine, die in den 1930er Jahren eine wahre Revolution darstellte. Konnten damit doch plötzlich Bahnen mit 50 bis 100 Metern bedruckt werden. Dies sei die weltweit letzte und auch genutzte Walzendruckmaschine aus Holz. Bezogen auf die ungewöhnlichen Inch-Maße wurde die Maschine einst wohl in England hergestellt.
Die Stoffbahnen werden auf kleinen Messinghaken in den Sternreifen über der Küpe (Färbekessel) gespannt. Die an den Rändern entstehenden kleinen Löcher sind typisch für den Blaudruck. Wasser, pflanzlicher Indigo und Kalk sind die Hauptbestandteile in der Küpe. Die wertvolle Flüssigkeit in den 4 Meter tiefen Küpen reicht für unzählige Färbeprozesse, muss zwar öfter aufgefüllt, aber nur alle 20 bis 25 Jahre gewechselt werden. „Ich habe in meinem Leben schon zweimal gewechselt“, ergänzt Josef Koó. „Jetzt können Sie rechnen.“
Blau durch Oxidation
Der Stoff taucht für etwa zehn Minuten in die Küpe. Wird der Stoff herausgezogen, ist noch nichts zu erkennen. Erst die Oxidation an der Luft lässt die Farbe von Gelb über Grün zu Blau umschlagen. 8- bis 10-mal wird dieser Vorgang wiederholt, bis der gewünschte Blauton erreicht ist. „Wer sich das Rechnen ersparen will: Allein dieser Arbeitsschritt dauert bis zu drei Stunden“, so Koó. Nach dem Auswaschen des Papps trocknen die Stoffbahnen im Garten in der Sonne. Während des Trocknens haben die Färber nicht viel zu tun. Die Luft macht den Stoff blau und auch Miriam und Josef Koó können jetzt „blaumachen“. „Die Tätigkeit ist natürlich sehr zeitintensiv und wetterabhängig, aber den Sonntagvormittag halten wir uns immer frei.“
Das Naturprodukt Indigo reagiert auf Sonne (UV-Licht) und wird an beschienenen Stellen heller. Ein Blaudruck sollte somit an einem lichtgeschützten Ort aufbewahrt und in der Waschmaschine separat bei 40° gewaschen werden. Auch sei ein Waschgang vor dem ersten Tragen zu empfehlen (Abfärbung).
Die verwendeten Stoffe sind dabei feste und leichte Baumwolle, Leinen oder Seide, auch in Bio-Qualität. Die Materialien werden von langjährigen Partnern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz bezogen. Das Indigo selbst stammt in der Regel aus Südindien.
Gefertigt werden (bei einer maximalen Stoffbreite von 160cm) Stoffe für Kleidung, Tischdecken, Zierkissen, Vorhänge oder auch Dinge, die nach individuellen Wünschen hergestellt werden. Das kann dann auch mal eine Kopie des Malerkittels von Gustav Klimt für eine Ausstellung sein. Oder eine Kooperation mit Schuh-Designern für einen anspruchsvollen Indigo-Blaudruck auf Leder. Erwähnenswert auch die jahrelange Zusammenarbeit mit einem Betrieb, der erwerbslosen Menschen eine Beschäftigung und Orientierung bietet. In der dortigen Schneiderei wird seit über 25 Jahren der Koó-Blaudruck verarbeitet.
Begeisterung für ein altes Handwerk
Das Ladengeschäft, die künstlerischen Gestaltungen, die traditionsgeladenen Produkte – ein Besuch in der Werkstatt (oder dem Online-Shop) lässt eintauchen in eine blaue und traditionsreiche Vielfalt-Welt, die den Kontakt zum Heute gemeistert hat.
Miriam und Josef Koó: „Was uns antreibt, ist die Begeisterung für ein altes Handwerk und die Lust am Experimentieren. Wir leben Tür an Tür mit der alten Indigo-Färberei, den Walzen und Modeln aus vergangener Zeit. Das macht ständig Lust aufs Werken und liefert zahlreiche Ideen und Inspirationen. Zwischendurch ein wenig „Blaumachen“ rundet das Ganze perfekt ab.“