Jochen Böhm verdient sich seinen Lebensunterhalt mit seiner Teppich- und Polstermöbelreinigung in Langweid bei Augsburg. Dabei erledigt der Unternehmer alle seine Aufträge alleine – von der Reinigung bis hin zur Auslieferung. Wie es dazu gekommen ist.
Gegründet wurde das Unternehmen 1972 in Westheim unter dem Namen „Kasper“. Zu dieser Zeit war Jochen Böhms Vater dort als Mitarbeiter tätig, bis dieser schließlich 1987 die Firma von seinem damaligen Chef übernahm. Seitdem trägt die Firma den Namen Böhm.
„Ich bin von klein auf im Betrieb aufgewachsen und habe mitgeholfen. Mein Bruder ist 1996/97 mit eingestiegen. Als mein Vater 2002 gestorben ist, hat mein Bruder den Betrieb übernommen, bis ich 2003 dazugekommen bin und wir zu zweit die Firma geführt haben“, erzählt Jochen Böhm.
2004 gründeten die Brüder dann gemeinsam eine GmbH. Das ging aber nicht lange gut. 2007 trennten sich die Brüder. Jochen Böhm bezahlte seinen Bruder aus und führt seitdem das Unternehmen allein. 2015 baute er und verlagerte seine Räumlichkeiten nach Langweid.
Schwankende Auftragslage in Krisenzeiten
Bis Anfang 2020 lief bei dem Teppichreiniger alles gut. Er hatte einen Fahrer und zwei Aushilfen, die ihn beim Reinigen der Teppiche unterstützten. Doch als die Corona-Krise anfing, begann auch die Auftragslage zu schwanken. Ohne die Corona-Hilfe wäre er damals zahlungsunfähig gewesen.
Als zusätzlich noch die Energiekrise dazu kam und die Preise für Strom und Gas in die Höhe schnellten, blieb Jochen Böhm nichts anderes übrig, als seinen Fahrer 2022 zu entlassen. Zum Juni 2023 kündigte dann seine langjährige Aushilfe, um in Rente zu gehen. Zurzeit arbeitet er deswegen so gut wie alleine. Er hat nur noch eine Aushilfe, die am Nachmittag ab und zu kommt. Außerdem hilft ihm seine Frau bei Bürotätigkeiten.
„Wegen dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise läuft mein Geschäft zurzeit sehr schwankend. Früher konnte ich die Uhr danach stellen, dass die Auftragslage von Januar bis Anfang März eher schlecht, aber danach bis Weihnachten immer durchgehend gut war. Aber jetzt geht es immer mal eine Woche gut und dann wieder eine Woche schlecht“, erklärt Jochen Böhm. Um wieder neue Mitarbeiter einstellen zu können, bräuchte er regelmäßig guten Umsatz. So bleibt er momentan eine „One-Man-Show“, wie er sich selbst bezeichnet.
Tradition statt Digitalisierung
Wichtig ist dem Teppichreiniger immer gute und saubere Arbeit zu leisten sowie ehrlich mit den Kunden zu sein. Bei Jochen Böhm ist fast alles Handarbeit. Er hat keine langen Waschstraßen wie die großen Textilreinigungen. Er wäscht nach eigener Aussage noch eher altertümlich, also traditionell. Vieles macht er per Hand mit dem Hochdruckreiniger.
Mit dem Thema Digitalisierung hat sich Jochen Böhm noch nicht wirklich auseinandergesetzt. „Das geht mir alles viel zu schnell. Ich bin noch einer vom alten Schlag“, verrät er. Bei ihm laufe viel über Mundpropaganda. Immerhin arbeite er gerade an der Verbesserung seiner Webseite. Auf Instagram oder Facebook ist er aber nicht aktiv. Auch Werbung betreibe er kaum. Ihm fehle einfach die Zeit und das Geld dafür.
Vor zwei/drei Jahren sei das noch anders gewesen: „Da war ich noch ein bisschen besser aufgestellt. Meine Mutter lebte noch und hat mir geholfen. Aber jetzt habe ich einfach keine Ressourcen mehr. Und am Abend bin ich einfach zu müde, um Instagram oder Facebook zu pflegen. Es ist einfach eine blöde Phase zurzeit, weil es doch wieder mehr Arbeit gibt und ich hin und hergerissen bin wieder jemanden einzustellen.“
Eine typische Teppichreinigung
Zu seinen Dienstleistungen zählt das Reinigen von Planen, Decken, Polstern, Stühlen, Sofas, Matratzen und natürlich Teppichen. Er ist auf größere Textilien spezialisiert, welche die Leute zu Hause nicht selber waschen können bzw. wollen. Über eine zweite Firma reinigt er auch Teppichböden vor Ort. Außerdem bietet er eine Teppich-Reparatur an.
Bei einer typischen Teppichreinigung wird der Teppich zuerst geklopft. Dafür nutzt Jochen Böhm eine Klopfmaschine, die den groben Dreck entfernt. Dann legt und misst er ihn aus und spritzt ihn mit einem Schlauch nass. Daraufhin bearbeitet er den Teppich mit einer Rotationsbürsten-Maschine, in die er eine Seifenmischung füllt. Die Seifenmischung wird durch die runde Bürste in den Teppich einmassiert. Dieselbe Prozedur erfolgt auf der anderen Teppichseite.
Danach wird die Seifenmischung ausgewaschen. Dabei muss Jochen Böhm auf die Beschaffenheit des Teppichs achten. Flor-Teppiche muss er sanfter behandeln. Aus Schafswolle gewebte Teppiche kann er mit dem Hochdruckreiniger ausspülen. Wenn der Teppich von der Seifenmischung befreit ist, wird er gerollt oder gelegt und kommt in eine große Zentrifuge, in der er ausgeschleudert wird. Danach kommt er in den Trockenraum auf eine Stange, auf der er ein paar Tage hängt bis er trocken ist. Zu guter Letzt verpackt Jochen Böhm den gereinigten Teppich und liefert ihn innerhalb einer Woche an den Kunden aus oder bewahrt ihn auf, bis der Kunde ihn abholt.
Partnerreinigungen und Stammkunden
Um so viel Kundschaft wie möglich zu erreichen hat Jochen Böhm Annahmestellen in ganz Bayern. Dafür ist er mit einigen Textilreinigungen und Wäschereien eine Partnerschaft eingegangen, die für ihn Teppiche, Polster, etc. annehmen und diese dann von ihm reinigen lassen. Dabei erhalten seine Partner Prozente auf die Reinigung. So ist Jochen Böhm von Montag bis Donnerstag unter anderem in Augsburg, München, Kaufbeuren, Landsberg und Bad Wörishofen unterwegs, um die Teppiche abzuholen bzw. wieder anzuliefern. Er ist sozusagen ein Dienstleister für seine Partner-Reinigungen, die große Textilien nicht selbst reinigen können.
Natürlich hat er daneben auch Kunden, die direkt bei ihm anrufen und denen er für Anfahrtskosten ebenso eine Abholung anbietet. Über die Jahre hat er so zahlreiche Stammkunden gewonnen. „Wenn ich die nicht hätte, dann hätte ich meine Firma wahrscheinlich schon aufgeben müssen“, meint Jochen Böhm. Ein Großteil seiner Kunden sind Privatpersonen, doch er reinigt auch für ein paar mittelständische Unternehmen. „Letztens hatte ich zum Beispiel eine Stahlbaufirma aus Schwabmünchen als Kunden, für die ich 20 Schmutzfangmatten gereinigt habe“, erzählt er. Dann gehören noch einige Kindergärten zu seinen Stammkunden, die jedes Jahr im Sommer ihre ganzen Textilien (Decken, Teppiche, Polster, etc.) von ihm waschen lassen.
Schrumpfender Markt für Teppichreiniger?
Was Jochen Böhm Sorgen macht, ist die immer größer werdende Wegwerfgesellschaft: „Es werden immer billigere Teppiche produziert, die die Kunden zwei Jahre haben und dann wegschmeißen. Das ist der Trend, den ich sehe.“ Statt Orientteppiche und geknüpfte Ware hätten die Menschen mittlerweile vor allem künstlich hergestellte, kurzlebige Teppiche zu Hause, die sie vielleicht einmal waschen und dann durch neue ersetzen. „Man könnte auch geknüpfte Teppiche in Richtung Vintage gut verkaufen, aber für die Billig-Teppiche wird mehr geworben, weil die in der Herstellung günstiger sind und sich der Kunde nach sechs Jahren wieder einen neuen kaufen muss“, denkt der Teppichreiniger. „Das sind vor allem die jüngeren Leute, die sich der schlechten Qualität gar nicht bewusst sind, die sie einkaufen. Die kommen dann zu mir und sind ganz erstaunt, wenn ich ihnen erzähle, dass ihr Teppich eine zu schlechte Qualität hat und beim Reinigen höchst wahrscheinlich kaputt gehen wird.“
Auch dass immer weniger Teppichböden in Häusern verlegt werden, bemerkt Jochen Böhm: „Die jüngere Generation bevorzugt zum Großteil Fliesen, Parkett und Laminat. Nur die ältere Generation hat in ihren Häusern noch Teppich verlegt. Da bin ich noch unterwegs und reinige diese Böden vor Ort. Diese Teppiche sind dann häufig schon über zwanzig Jahre alt.“
Der Teppichreiniger schaut jedenfalls in eine ungewisse Zukunft: „Ich weiß nicht wie die Situation in 10 Jahren sein wird. Bisher läuft es noch, denn in den 30 Jahren, seitdem es die Firma gibt, hat sich ein Kundenstamm aufgebaut, durch den ich regelmäßig Aufträge erhalte.“ Viel größer will er mit seinem Unternehmen auf jeden Fall nicht werden. Er hofft nur, dass es wieder so gut läuft wie früher und er wieder einen Wäscher, Fahrer und eine Aushilfe einstellen kann. „Ich habe zwar zurzeit weniger Aufträge, aber als Einzelperson im Gegensatz zu früher doppelt so viel Arbeit.“