Im November 2022 kündigte Engelbert Strauss (Biebergemünd) seine erste vollständig biologisch abbaubare Kollektion „Botanica“ an. Besonders herausgehoben wurde eine Arbeitshose aus Bananenfasern, Bio-Baumwolle und Bambus. Mit dem neuen Sortiment folgt das Unternehmen einer Tendenz, die sich schon länger abzeichnet: Marken suchen ökologisch unbedenkliche Alternativen zu Naturfaser. Auch wenn sie bis auf Bio-Baumwolle allesamt für die gewerbliche Wäscherei ungeeignet sind, wollen wir einige „Exoten“ einmal vorstellen.

Bananenfasern als ökologische alternative für Textilien? – © Inga Nielsen – stock.adobe.com

„Engelbert Strauss präsentiert eine Weltneuheit“ – so war es in einer Mitte November versendeten Pressemeldung des Unternehmens zu lesen. Das revolutionäre Produkt: eine vollständig biologisch abbaubare Arbeitshose aus Bananenfasern, Bio-Baumwolle und Bambus. Komplett kompostierbar – auch dank natürlicher Farbstoffe, die aus landwirtschaftlichen Nebenerzeugnissen wie Rote Beete, Nussschalen und Blättern stammen. Entstanden in einer Kooperation von Engelbert Strauss mit Hohenstein (Bönnigheim), umgesetzt in Bangladesch im Entwicklungszentrum des Unternehmens.

Zugegeben – die Meldung hat meine Neugierde geweckt. Die aus Abacá-Palmen gewonnenen, auch als Manila-Hanf bezeichneten Fasern, sind extrem reißfest, widerstandsfähig und leicht. Daher wurden sie vor allem zu Schiffstauen, Seilen, Netzen oder Webteppichen verarbeitet. Für ihre Weichheit, die in der Bekleidungsbranche eine wichtige Rolle spielt, ist die Blattfaser hingegen nicht bekannt. Wie also kommt die Bananenfaser in die Workwear-Hose von Engelbert Strauss?

Neue Bedeutung für ein Blatt Papier

Im Markt gibt es beispielsweise sog. Bananatex-Garne, die von Qwstion International im österreichischen Reith bei Seefeld entwickelt wurden. Für die speziellen Garne werden Bananenfasern als Ausgangsmaterial verwendet. Die aus den Palmenblättern herausgelösten Fasern werden allerdings in Wasser zu einem Zellstoffbrei umgewandelt. Der sogenannte Pulp wird dann zu einem dünnen Papier verarbeitet, das in feine Streifen geschnitten und zu Garnen versponnen wird. Diese werden anschließend in Reinform oder in Mischung mit Bio-Baumwolle zu Geweben verarbeitet und kollektioniert.

Die Art der Herstellung erklärt die Pflegeempfehlung für die Arbeitshosen des „Botanica“-Sortiments: Engelbert Strauss empfiehlt eine Haushaltswäsche bei 40°C und das Trocknen im Tumbler. Bambus ist dabei nur in Form von Knöpfen in der Kleidung enthalten.

Die Hosen der im Frühjahr 2023 erwarteten „Botanica“-Kollektion von Engelbert Strauss bestehen aus Bio-Baumwolle, Bananenfasern und Bambus-
Knöpfen. – © Engelbert Strauss

Geraspeltes Süßholz

Neben holzähnlichen Produkten wie Knöpfen werden die zu den Süßgräsern zählenden Bambuspflanzen seit vielen Jahren auch zu Fasern verarbeitet. Allerdings ist Vorsicht geboten. Viele Textilien, die vorgeben, mit oder aus Bambus hergestellt zu sein, bestehen aus Bambus-Cellulose und sind damit Viscose- oder Lyocell-Fasern. Die in China, Indien, Pakistan, Afghanistan und Indonesien gewonnenen echten Bambusfasern sind hingegen eine Seltenheit. Sie werden aus schnell wachsenden Bambusgräsern gewonnen, die bereits im Alter von einem Jahr geerntet werden können. Die Pflanzen werden mechanisch aufgebrochen und die feinen Fasern mithilfe eines natürlichen Enzyms aus den Stengeln herausgelöst. Anschließend werden sie gewaschen, gekämmt, zu Garnen versponnen, bei Bedarf mit anderen Fasern gemischt (z.B. Baumwolle, Seide oder Wolle) und verwebt. Reine Bambustextilien haben einen seidenähnlichen Griff, sind elastisch, haben ein sehr gutes Feuchtigkeitsmanagement, eine antibakterielle Wirkung und einen natürlich „eingebauten“ UV-Schutz.

Umweltfreundlichkeit mit Grenzen

Ein wichtiges Argument für Bambus als nachhaltigen Rohstoff sind die Anbaubedingungen der Pflanze. Sie wächst extrem schnell, wodurch sie einerseits große Mengen Kohlendioxid speichert, andererseits ohne Gefährdung des Bestands in großen Mengen gefällt werden kann. Hinzu kommt, dass sich Bambus durch sein großflächiges Wurzelsystem weit verzweigt. Er stirbt also im Gegensatz zu Bäumen nicht ab, sondern wächst an anderer Stelle weiter. Beim Anbau werden außerdem kaum Düngemittel, Pestizide oder künstliche Bewässerungsmethoden eingesetzt, weshalb die Auswirkung des Bambusanbaus auf die Umwelt vergleichsweise gering ist. In den weiteren Verarbeitungsprozessen – insbesondere bei der Herstellung von Bambus-Cellulose – geht es hingegen weniger umweltfreundlich zu. Hohe Mengen an Chemikalien vereiteln eine positive Umweltbilanz.

Leinen los!

Ganz ähnlich wie Bambusfasern werden auch Leinen- und Hanffasern gewonnen. Nach der Ernte werden die Stengel der Bastfasern gebrochen und die Fasern über einen natürlichen Verrottungsprozess oder auf chemischem Weg abgetrennt. Dann folgen verschiedene Prozesse zum Auslösen der Textilfaser und bei Bedarf das Mischen mit anderen Fasermaterialien. So wird Leinen für die Herstellung von Geschirr- oder Gläsertüchern, aber auch für Tischwäsche gerne zusammen mit Baumwolle verarbeitet. Im Heimtextil- und im Bekleidungsbereich werden aber auch Maschenwaren und Gewebe aus der reinen Faser verwendet.

Leinen ist in mancher Hinsicht umweltfreundlicher als Baumwolle. – © MariiaDemchenko – stock.adobe.com

Zu den wesentlichen Vorteilen beider Fasern zählt ihr sehr gutes Feuchtigkeitsmanagement sowie ihre hohe Trocken- und noch bessere Nassreißfestigkeit. So wurde Hanf in der Vergangenheit unter anderem zu Segeltuch verarbeitet, aus dem auch Levi Strauss seine ersten Jeans schneiderte. Darüber hinaus besitzt Hanf ein gutes Wärmerückhaltevermögen, weshalb selbst dünnere Kleidung gut gegen Kälte isoliert. Im Gegensatz dazu ist Leinen ein guter Wärmeleiter, weshalb sich die Textilien stehts kühl anfühlen. Die Fasern sind kochfest und bilden keine
Flusen.

In puncto Anbau ist Leinen erheblich umweltfreundlicher als Baumwolle. Die Flachspflanze ist genügsam, benötigt nur wenig Dünge- und Pflanzenschutzmittel und kommt ohne künstliche Bewässerung aus. Hanf hat sogar noch einen besseren ökologischen Fußabdruck. Da die Pflanze schnell wächst, beschattet sie den Boden, so dass Unkraut chancenlos ist und keine Herbizide benötigt werden. Auch Maßnahmen gegen Insekten oder Pilzkrankheiten sind nicht erforderlich. Gleichzeitig lockert die Pflanze den Boden auf und wird nach der Ernte vollständig verwertet.

Wen juckt’s?

Im Anbau weitgehend anspruchslos ist auch der Fasernessel, aus dem die jahrhundertelang genutzte Nesselfaser gewonnen wird. Die Pflanzen gedeihen gut auf tiefgründigen, nährstoffstoffreichen Böden mit einer guten Wasserversorgung. Für die Versorgung der Pflanze muss mit Stickstoff gedüngt werden. Da Nessel keine natürlichen Feinde hat, kommen Pflanzenschutzmittel nicht zum Einsatz; die Plantagen dienen dadurch gleichzeitig dem Artenschutz.

Die Fasern werden durch Brechen und nachfolgende mechanische Prozesse von den Stengeln getrennt und gereinigt, bei Bedarf mit anderen Fasern gemischt und können dann versponnen und verwebt werden. Es entstehen Textilien mit guter Reißfestigkeit, einem seidenartigen Glanz, einem einzigartigen Feuchtigkeitsmanagement, und einem glatten Griff, der sich auf der Haut kühl anfühlt. Der Einsatz der Faser ist jedoch aufgrund ihrer Sprödigkeit noch begrenzt, weshalb sie in Mischungen beispielsweise mit Baumwolle – zum Einsatz kommt. Mattes & Ammann in Tieringen hat aber auch Maschenwaren aus 100 Prozent Nessel entwickelt.

Statt Obstsalat und Schnaps

Auch aus Ananas können Fasern gewonnen werden. – © xamtiw – stock.adobe.com

Ein echter Exot unter den nachhaltigen textilen Rohstoffen ist die Ananasfaser. Sie stammt aus den Blättern der Fruchtpflanze, wobei die Fasern über mehrere Prozessschritte gewonnen werden. Erst werden die Blätter entfleischt, gewaschen, getrocknet und gebürstet und die seidenweichen Fasern anschließend versponnen, verwebt und in der Heimat der Faser, den Philippinen, zu traditionellen Herrenhemden (Barong Tagalog) verarbeitet. Eine weitere Verarbeitung erfolgt zu Nonwovens, die seit einigen Jahren als veganer Lederersatz in der Branche dienen. Zu den Vorteilen der sehr feinen Naturfaser zählen ihre hohe Reißfestigkeit und Beständigkeit gegen Druck, Zug, klimatische Schwankungen und Alkalien. Ihr Nachhaltigkeitsnutzen beruht vor allem darauf, dass für die Fasergewinnung Abfälle aus der Lebensmittelherstellung verwertet werden.

Der Vollständigkeit halber sei auch noch die Agavenfaser erwähnt, die aus der für die Tequilla Produktion angebauten Pflanze gewonnen wird. Sie ist sehr widerstandsfähig, hat eine gute Feuchtigkeitsaufnahme und ist besonders reißfest. Aufgrund des harten Griffs wird sie von dem mexikanischen Unternehmen Sol y Agave de Arandas derzeit allerding nur zu Netzen, Gürteln, Hüten oder sehr groben Westen verarbeitet.

Wie heiß ist der Preis?

Viele der hier vorgestellten, zu den nachhaltigen Fasern gezählten Rohstoffe erfüllen mindestens eine wichtige Forderung der Textilservice-Branche. Doch obwohl Fasern aus Banane, Ananas und Co. eine gute Reißfestigkeit haben, dürften ihre Karrierechancen als gewerbliche Objektwäsche und leasinggeeignete Berufskleidung gleich Null sein. So ist einerseits die Verfügbarkeit begrenzt, gleichzeitig muss an vielen Stellen noch Hand angelegt werden, denn es fehlen Maschinen, die die Verarbeitung der Pflanzenfasern übernehmen. Und weil auch in der Faserwelt die Gesetze der Marktwirtschaft von Angebot und Nachfrage gelten, sind die kompostierbaren Alternativen dementsprechend teuer. Daher darf die Preisgestaltung der „Botanica“-Hose mit Spannung erwartet werden. Die Kollektion wird im Frühjahr 2023 erhältlich sein.